Biografie



Mein Vater hatte mindestens zehn gute Jahre als Fernaufklärer und Jagdflieger in der Luftwaffe. Er ist danach mit einem weit geachteten Handpuppentheater getingelt. Er hat die Stücke dafür geschrieben, die Kulissen gemalt, die aufwändige Technik gebaut und die Musik dazu komponiert.

So absurd es klingen mag, ich bin ein wenig neidisch. Hätte er den Krieg nicht überlebt, würde ich möglicherweise anders denken.


Offensichtlich im letzten Weihnachtsurlaub 1945 gezeugt, habe ich die Zeit der existentiellen Not nur insofern erlebt, als die Spielsachen handgemacht waren und man mich hauptsächlich mit Mehlmus mit Himbeersirup, Grießmus, Weißkraut und Kartoffeln ernährte. An Festtagen gab es oft zarte Tauben, Geschenke eines Gutsherren, den mein Großvater, der Heilpraktiker, erfolgreich behandelt hatte. Im Winter gab es das, was im Sommer eingemacht worden war. Obst hieß Apfel oder Birne oder Beeren, die man im Wald gesammelt hatte. Die Bilder meiner Kindheit: Granaten - Blindgänger im Wald, ausgebrannte Eisenbahnwaggons auf dem Gleis hinter unserem Grundstück und ein Flugzeugwrack, das in einem Teich steckte und auf dem eine Katze saß. Die Bauern, deren Leben sich bis dahin Jahrhunderte kaum geändert hatte, Kaltblüter vor dem Pflug, der Lanzbulldog mit Schwungrad ein ungeheuerer Luxus. Das Fahrrad war das persönliche Fortbewegungsmittel. Keine Gangschaltung, aber spiralgefederte Ledersättel.

Die Grundschule, Volksschule genannt, war nicht gemischt, die Mädchenschule irgendwo auf der anderen Seite des Stadtplatzes. Einige Schulkameraden waren gefürchtete Schläger und gehörten wohl nach heutiger Sprechweise zu den bildungsfernen Schichten. Im Dorf spazierte ein offensichtlich geistesgestörter Mann umher, mit rasierter Glatze. Dem wurde von uns Schülern das Wort "Kazetlerhans" nachgerufen, was zuverlässig zum erhofften Wutausbruch mit anschließender Verfolgung führte. Er hat uns nie erwischt. Die einzig einheimische Liane, Judenstrick genannt, diente den ersten Rauchversuchen. Die großartig kräftigen Schimpfwörter 'Arschficker' oder 'Schwanzlutscher' wurden gerne gebraucht. Keiner hat gewusst, was alle diese Wörter bedeuten.

Zwei Jahre der Grundschule war mein Vater, inzwischen entnazifiziert und wieder eingestellt, mein Lehrer. Ein guter Lehrer, der sehr anspruchsvoll und gerecht war, Prügelstrafe und 'Tatzen' aus dem allgemeinen Erziehungsrepertoire strich und die Begabten unabhängig von der sozialen Herkunft förderte. So kam ich mit vier weiteren Kameraden von 21 nach vier Jahren aufs Gymnasium nach Mühldorf am Inn. Hier wurde nicht mehr bayrisch gesprochen, weil die Mehrzahl der Kameraden nicht 'von da' waren. Sie waren Flüchtlinge, meist aus Waldkraiburg, einer völlig neuen Siedlung. Aber sie waren eigentlich genauso wie wir.

Die Hälfte der Lehrer war altgedient und bei manchen spürte man, dass die Veränderung im Lande nicht ihren Idealen entsprach. Die Subjektivität der Benotung in den Geisteswissenschaften konnte ich hautnah erleben. Beim Studiendirekter Klein hatte ich in Deutsch immer eine '1', beim Studienrat Kraus schwankte es zwischen '3' und '5'. Leider hatte ich den auch in der Abiturklasse. So what. Die Lehrer in Mathematik, Physik und Chemie waren großartig. Das könnte meine Vorliebe und ein Talent in diesen Fächern erklären. Sport, Kunst und Musik hatten damals einen hohen Stellenwert, ausgedrückt in der Zahl der Stunden und in einer hervorragenden Besetzung des Lehrerkollegiums.

Die Schule war um ein Uhr beendet. Dann kam die vergnügliche Zugfahrt nach Hause. Erst im Abteilwagen, dann im Schienenbus, immer den Fahrer beneidend, dem Herren über 8 Gänge und eine zischende Bremse.

Der Nachmittag wurde ein wenig versaut durch Hausaufgaben. Wenn man jedoch genügend Selbstdisziplin entwickelte, blieb genug freie Zeit, die nicht durch elterliche Zusatzprogramme ausgefüllt wurde. Die Eltern hatten wahrlich anderes zu tun und griffen nur ein, wenn der Sohn, pubertär bedingt, in den Leistungen erschreckend nachließ. Doch, einen Zusatz gab es: Klavierunterricht einmal in der Woche. Erst gehasst, später heiß geliebt.

Kurz nach dem Abitur und dem sofort benötigten Führerschein der Umzug nach Bayrischzell. Der Vater wurde Schulleiter und musste sich gegen bergbäuerliche Eltern wehren, die fanden, dass ihr Nachwuchs jetzt genug gelernt hatte und auf dem Hof helfen sollte. Für den Sohn, also mich, eine neue Welt: Tourismus, Skifahren, Tennis und viele unbekannte Mädchen. Aufgrund des hohen Ansturms und einschlägiger Fähigkeiten zum Skilehrer ausgebildet und die damit verbundene Reputation genossen. Freie Liftfahrt, chice Klamotten und jede Menge Bewunderung durch unverheiratete und verheiratete Weiblichkeit. Kein schlechtes Gefühl.

Die drohende Wehrpflicht unterbrach diese schöne Zeit erst einmal temporär. Ich verpflichtete mich gleich für zwei Jahre, weil das Studium ohnehin im Herbst beginnen würde, weil 24 statt 18 Monate keinen großen Unterschied machten und weil es ganz gut bezahlt wurde. Am Ende stand der sonst unmögliche Kauf des ersten eigenen Autos, eines wunderbaren Käfer Cabrios, Baujahr 1957, anthrazit mit roten Ledersitzen und Weißwandreifen und stattlichen 27 PS für 2600 Mark.

Erst während des Wehrdienstes wurde mir klar, dass Feldjäger der neue Namen für die Militärpolizei war, mit einem halben Jahr Grundausbilung statt der üblichen drei Monate. Aber Motocross - Fahren in Düsseldorf und am Ende ein halbes Jahr selbst Ausbilder an der Feldjägerschule in Sonthofen auf der Ordensburg, länger unterbrochen, um das Standortskirennen zu bestreiten, machten den Denkfehler bei der Waffengattungswahl mehr als nur erträglich. Einen Eindruck vermittelt mein neuer Roman: Zehn gute Jahre, in dem ich eigene Erlebnisse zum Vorbild nahm in der wohl richtigen Annahme, dass sich in zwanzig Jahren nicht viel geändert hatte.

Dann endlich das Studium an der Ludwig - Maximilian - Universität in München. Mathematik war so etwas von anders als in der Schule, dass ich in den drei Monaten bis Weihnachten einfach nichts, gar nichts, nada, verstand und die Leute dort für völlig verrückt und abgehoben empfand in Abwechslung mit Phasen tiefer Depression. Nach Weihnachten fiel komischerweise der Groschen. Nach drei Semestern wurde ich sogar Hilfsassistent bei Prof. Kasch, einem der wenigen, die der Didaktik auch noch einen gewissen Stellenwert gaben. Die Nebenfächer Theoretische Physik und Chemie klingen ein bisschen überzogen, entsprachen aber meiner Interessenlage, hinter die Dinge, zumindest im Bereich der Naturwissenschaften, zu schauen. Abgeschlossen mit 'sehr gut', was auch meine Eltern richtig stolz machte. Studiumfördernd war auch eine feste Beziehung in Bayrischzell, die mich immun gegen die Anfechtungen der 68er an ein freies und wenig diszipliniertes Leben machten. Der Geist der 68er beeinflusste mich jedoch nachhaltig. Persönliche Gestaltungsfreiheit und Misstrauen gegen die im deutschen fest verwurzelte Obrigkeitshörigkeit wurden wesentliche Charaktereigenschaften.

Eigenartigerweise fühlte ich mich in meiner ersten und zwanzig Jahre währenden Stellung bei Messerschmitt - Bölkow - Blohm in Ottobrunn am richtigen Platz. Dort herrschte eine offene, wenig hierarchische und viel Freiraum gebende Atmosphäre, die fast alle zu persönlichen Höchstleistungen ermunterte. Auch wenn ich dort für furchterregende und abzulehnende Projekte wie Panzerabwehrsysteme oder Kampfflugzeuge arbeitete, war es eine gute Zeit: Spannende neueste Technik, viele Reisen in einer europäischen Zusammenarbeit, die trotz oder gerade wegen der nationalen Unterschiede fruchtbar und äußerst befriedigend war. Seitdem bin ich überzeugter Europäer.

Dann kam Daimler und übernahm MBB. Ich wechselte in eine scheinbar spannende und verantwortungsvolle Aufgabe in die Konzernzentrale Stuttgart-Möhringen und lernte schmerzlich kennen, wie ineffektiv und geldverschwenderisch Großkonzerne sind und wie alle guten Initiativen im Geflecht firmenpolitischer Partialinteressen erstickt werden. Schön waren der Status und jedes halbe Jahr ein edler, neuer Mercedes nach Wahl zur freien Verfügung, kostenlos.

'Ein Daimler - Mitarbeiter verlässt das Unternehmen nicht nach 25 Jahren', so sagte mir ein altgedienter Kollege. Tat er aber doch. Ich nahm ein lukratives Angebot der Sandoz (heute Novartis) als Vizedirektor in Basel an. Gereizt hat auch der Einsatz in der Schweiz und das Kennenlernen einer neuen Branche. Mit 45 konnte doch das Leben nicht weiter in vorgefertigten Bahnen bis zum Rentnerdasein ablaufen. Seilschaften sind das A und O. Das merkte ich als mein Mentor, wie in der Schweiz üblich, von einer Sekunde auf die andere das Unternehmen verlassen musste, weil er auf seinen Mentor gesetzt hatte, der aber von einer Sekunde.... Jedenfalls hing ich ein wenig in der Luft, nicht gekündigt, aber geduldet. Mental gefördert durch ein ziemlich schreckliches, persönliches Ereignis, stürzte ich mich in das Abenteuer, eine kranke Software - Firma, die auf die Zeichen der Zeit nicht reagiert hatte, als Geschäftsführer zu retten. Die war in Chur, einem Traum von Ort mit wahnsinnig netten Menschen, den Graubündnern, schillernden Orten vor der Haustür: Arosa, Davos, Lenzerheide, St. Moritz und im Chalet zusammen mit Kathrin und zwei wunderbaren Schweizer Rauhhaardackeln.

Leider war die Rettung nicht erfolgreich. Ein Großauftrag konnte nicht abgewickelt werden, weil die UBS und andere Banken nicht bereit waren, einen völlig sicheren Beschaffungskredit für die Abwicklung des Auftrags zu gewähren. Welche Politik dabei im Spiel war, konnte ich nie ermitteln. So stand ich plötzlich nach zwei schönen Jahren einkommenslos in der gesunden, aber kostspieligen Höhenluft der Schweiz.

Freier Unternehmensberater war das Zauberwort und entsprach am besten meinen Vorstellungen. Jede Menge Know How und auch Erfahrung mit dem Brimborium von McKinsey und Co. hatte ich. Das Thema, das mein neuer Kollege und ich wählten, klang vielversprechend: Die Analyse von Verkaufsdaten, um die Kunden noch mehr zum Geldausgeben zu bewegen. Es war eine über sieben Jahre recht erfolgreiche und auch lukrative Betätigung. Was ich noch nie konnte, wurde dann aber zum Verhängnis: Die Akquisition, für die in diesen Höhen das Networking Voraussetzung ist. Nach zwei schönen Jahren in Wien beim Österreichischen Versicherungsverband war es nach dem Projektende plötzlich aus. Kein Folgeauftrag, die Zeiten hatten sich schon wieder gewandelt. Man gab als Konzernzentrale nicht mehr Unsummen für Beratung aus.

Rückbesinnung auf alte Fähigkeiten und Wünsche: Entwicklung eines der ersten Autorensysteme für HTML und von Gehirntrainings - Software. Paradox: Beratergeschwätz bringt viel Geld, selbst etwas schaffen nicht unbedingt. Außerdem hat das mittlerweile erreichte Rentenalter den unbedingten finanziellen Erfolgswillen relativiert.

Ach so. Geschrieben habe ich auch, immer schon. Betrachtungen zur Physik, erotische Kurzgeschichten, zwei Kinderbücher, alles nicht veröffentlicht. Dann natürlich Veröffentlichtes: Jede Menge Fachartikel und die Bücher und die Software, nachzulesen auf dieser Webseite unter

> Bücher und Veröffentlichungen.

Anbetungswürdig: Konrad Lorenz, Einstein, Bach, Kandinsky, Shakespeare, Goethe.

Lieblingslesestoff: Die Rückseite des Spiegels, Zauberberg, Faust, alle Bücher von Fred Vargas und Andrea Camillieri

Lieblingsmusik: Bach, Bach, Bach, Ravel, Beatles, Rolling Stones, Jimi Hendrix, Dire Straits, Eric Clapton, Sting, Stevie Wonder. Das, was heute so gemacht wird mit den Tanzmarionetten auf der Bühne und dem Rhythmus aus dem Computer, erzeugt bei mir lediglich Übelkeit.

Was mich interessiert: Physik, Evolutionstheorie, Geschichte, Malerei, Musik, Reisen, Wandern, Spielen und Knutschen mit meinen beiden Hunden und verstehen lernen, was und wie sie denken



Unsere Berger des Pyrenees Alex und seine Nichte Anouk auf der Iles d'Oleron vor einem zerfallenen Wehrmachtsbunker