Hintergrund

Wie kamst du auf das Thema und was hat dich daran interessiert?

Eine 8 - köpfige Familie, größtenteils Lehrer, trifft auf eine 11 - köpfige Familie, größtenteils Ärzte. Da kommen durch Heirat zwei Welten zusammen, die verschiedener nicht sein können, die globale pädagogische Weltsicht und die Sicht auf das Individuum mit dem alleinigen Ziel, zu helfen und Leiden zu mindern. Geschieht das auch noch in einer Zeit, in der alles drunter und drüber geht und in der sich die Welt dramatisch verändert, dann ist das alleine schon spannend. Du musst wissen, dass damals Lehrer ein sehr angesehener Beruf war. Die Lehrer genossen eine umfassende Ausbildung, vor allem auch im künstlerischen Bereich. Sie mussten ein Instrument gut spielen, sie mussten Zeichnen und Malen können und gut dichten.

Wenn der eine Sohn dann auch noch ein echter Hedoniker ist, der nicht nur dem Weiblichen sehr zugetan ist, sondern auch aus purer Lust am Fliegen bei der Wehrmacht anheuert, dann will man schon wissen, wie er damit das Nazireich in Einklang bringt.

Du hast dabei eine bestimmte Person im Auge?

Ja natürlich. Vorbild ist tatsächlich mein Vater, den ich auch als Lehrer in den ersten zwei Schuljahren hatte. Er war in meinen Augen perfekt, als Lehrer und Vater. Er war äußerst geschickt darin, Talente zu fördern. Enige verdanken ihm, dass sie aus sogenannten kleinen Verhältnissen die Chance hatten, Abitur zu machen. Nie war er gewalttätig. Körperliche Strafen waren für ihn tabu, obwohl sie damals nach dem Krieg noch immer die Normalität waren. Er war streng, ja, aber nur dann, wenn es ganz offensichtlich nötig war. Ich hatte das jedes Mal nach einigem Nachdenken akzeptiert.

Er redete kaum vom Krieg. Ich sah als Kind zwar sein Fotoalbum und fragte ein paar Einzelheiten. Aber es kam nicht viel dabei heraus an faktischem Wissen.

Viel, viel später, jedenfalls zu spät, fragte ich mich, wie die Person meines Vaters zu seiner militärischen Laufbahn passte und zu der Tatsache, dass er sogar Parteimitglied war. Es war und ist für mich undenkbar, dass er zu irgendeiner Form von Grausamkeit und Unmenschlichkeit fähig war. Also waren die Umstände so, dass er trotz seiner Bildung und seiner Hellsichtigkeit das Unfassbare nicht erkennen konnte.

Es gibt viele Romane, die von widerlichen und üblen Geschehnissen erzählen. Insbesondere die Soldaten der Infanterie waren da betroffen. Die Luftwaffe war da feiner. Trotzdem hat er sich vom etwas elitär entfernten Dasein als Fernaufklärer freiwillig zu den Jadgfliegern gemeldet. Das muss einen Grund gehabt haben. Klar waren die Jagdflieger die Popstars unter den Piloten und gefährlicher als die Fernaufklärung war Jagdfliegen statistisch auch nicht. Aber das direkte Ziel des Jägers ist Töten. Und das bekomme ich nicht so einfach unter den Hut, wenn man ihn kannte. Ganz offensichtlich ist ihm erst sehr spät die volle, verbrecherische Grausamkeit seines Regimes klar geworden. Das hat bestimmt mit zu seinen Depressionen geführt, abgesehen von den Langzeitwirkungen des Pervitin, das man heute als Crystal Meth kennt und das man den Piloten gegen Müdigkeit und Angst verabreicht hat. Göring - Schokolade hieß das damals.

Ich finde einfach, diese Geschichte muss erzählt werden. Die Deutschen bestanden nicht aus Verbrechern, obwohl das viele Jahre eine bequeme Analyse war. Heute sieht man das schon anders, aber es ist doch einmal interessant zu erleben, wie sich das in einem Einzelschicksal darstellt.

Gut, ich nehm' das so hin. Auch ich habe mich oft gefragt, ob das Nichtwissen nur eine bequeme Ausrede ist. Aber du musst schon glaubhaft machen, dass die Person deines Vaters so ein 'Nichtwisser' und 'Nichtschuldiger' war.

Ich hoffe, mir gelingt das. Es ist nur nicht so einfach. Man kann die Menschen nicht aufteilen in 'schuldig' oder 'nicht schuldig'. Die Wahrheit ist viel komplexer.

Es gibt ein paar Aspekte, die mich einfach ärgerlich machen. Zum Beispiel die sogenannte Entnazifizierung, die nichts anders war als der Versuch, die Menschen neu zu konditionieren, in diesem Falle zu Konsumenten. Ist ja auch ganz gut gelungen. Die Methoden waren etwas moderner, aber sie gingen genauso wie die Nazimethoden davon aus, dass der Mensch ein willenloses Wesen ist, das man nur nach seinen Wünschen konditionieren muss. Das gefällt mir gar nicht.

Gerade deswegen habe ich heute große Sorge. Was meinem Vater die Fliegerei war, ist das, was uns heute in Form von Unterhaltungsangeboten als ultimativer Ansatz für ein erfülltes Leben vorgegaukelt wird. Das trübt den Blick und macht uns zu bequemen Untertanen. Wir wehren uns nicht, weil es uns gut geht.

Ich finde, man kann die Zeichen überall sehen. Auch deswegen schreibe ich das Buch. Helfen wird's natürlich nichts. Schon klar.

Freut mich, dass du so bescheiden bist. Aber lass dich nicht entmutigen. Mach einfach weiter. Dann bist du mit etwas beschäftigt, was dir Spaß macht.

Genau. Spaß ist doch das Wichtigste im Leben. So bin ich als Nachkriegsbürger konditioniert worden.

Wie dein Held. Erkennt alles, aber tut nichts dagegen.

Ha ha ha.

>Was ist echt?

© 2016 Friedrich Haugg